„Vergessen Sie das Regelwerk für die spanende Bearbeitung – Kreativität ist gefragt!“
„Die Stückkosten für ein Einzelteil sind dieselben wie bei einer Serie mit tausend Teilen“, sagt Steve Randerson, Produktionsleiter bei Boxtrees Precision Engineering Ltd aus dem britischen Halifax. Das Unternehmen setzt einen hochgenauen, berührend schaltenden OMP400 Messtaster und ein berührungsloses NC4 Laser-Werkzeugkontroll-System von Renishaw auf einer Integrex 200-IV ST von Mazak ein, um unproduktive Einstellzeiten radikal zu reduzieren. Verbesserungen wurden auch bezüglich der Werkstückgenauigkeit und Konstanz der Zykluszeiten festgestellt, was sich direkt auf die Produktionsplanung auswirkt. Außerdem konnte auf die Überprüfung im Anschluss an die Bearbeitung weitestgehend verzichtet werden.
Boxtrees stellt für das Schwensterunternehmen Boxford sämtliche Bauteile für eine große Variation an Werkzeugmaschinen für Ausbildungszwecke her und ist ansonsten in der Lohnfertigung tätig.
Herr Randerson erklärt: „Vor fünf Jahren führte ich eine eingehende Analyse unserer Bearbeitungsverfahren durch und stellte fest, dass 40 % unserer Maschinenzeit mit der Werkstückeinrichtung vertan wurde. Das musste sich ändern – und welches bessere Ziel hätten wir uns setzen können als 0 %? Das haben wir jetzt erreicht. Viele Unternehmen haben ihre Produktion aus Gründen der Kosteneinsparung aus dem Vereinigten Königreich ausgelagert. Wir haben uns entschlossen, Kosten durch eine Verbesserung unseres Betriebs hier vor Ort zu reduzieren. Wir produzieren, was wir brauchen, wenn wir es brauchen. Es gibt daher keine Bauteile, die bei ihrer Herstellung Kosten verursacht haben und dann ungenutzt im Lager liegen und keinen Penny einbringen. Der Großteil der Arbeit besteht heute aus sehr kleinen Serien, darunter auch Einzelteile, entscheidend ist jedoch, dass dies keine Auswirkung auf die Produktivität hat.“
Die Mazak Integrex, bei der die Systeme von Renishaw bei der Lieferung zur Originalausstattung gehörten, ist bei Boxtrees seit einigen Monaten installiert und eine von drei CNC-Werkzeugmaschinen, die in einer sehr großen Maschinenhalle mit jetzt zunehmend inaktiven manuellen Maschinen aktiv im Gebrauch ist.
In der Zwischenzeit hat Herr Randerson Bearbeitungsprogramme für über 200 unterschiedliche Bauteile erstellt, die aus vielen verschiedenen Materialien – in der Regel Baustahl, Gusseisen oder Aluminium – maschinell hergestellt werden können. Jedes einzelne dieser Programme beruht auf Renishaws Routinen für die Werkstückeinrichtung und Werkzeugbrucherkennung, um den Prozess zu kontrollieren, und nutzt so die Flexibilität der Mehrachsen-Fräs-/Dreh-Maschine von Mazak bestmöglich aus.
Werkzeugstandzeit wichtiger als Bearbeitungszeit
„Alle reden von einer Verkürzung der Werkstückbearbeitungszeit“, meint Herr Randerson. „Mich interessiert eher eine Minimierung des Werkzeugverschleißes, um die Werkzeugkosten gering zu halten. Die Bearbeitung ist also vergleichsweise langsamer, aber die Werkzeugstandzeit hat sich um 20 % erhöht. Außerdem ist mir wichtig, das gelegentliche Ausschussteil ausfindig zu machen und sicherzustellen, dass es nicht bis zur Endmontage gelangt. Falls ein Teil, das nicht den Toleranzvorgaben entspricht, in eine Boxford Maschine eingebaut wird und anschließend ausgetauscht werden muss, kann der Ausbau bis zu 4 Stunden in Anspruch nehmen. Die Programme beruhen also auf optimalen Geschwindigkeiten und Vorschüben für lange Werkzeugstandzeiten, vermeiden alle überflüssigen Maschinenbewegungen und machen von einer Menge Logik Gebrauch, die es der Maschine erlaubt, „intelligente“ Entscheidungen aufgrund der Rückmeldung von den Messtastersystemen zu treffen.“
Die Mazak Integrex wird tagsüber bedienergeführt für die Barrenbearbeitung mit Doppelspindel unter Verwendung von Barren in unterschiedlichen Formen und Größen eingesetzt, während die Maschine nachts mannlos läuft und das Material per Stangenvorschub zugeführt wird. In beiden Fällen wird die abschließende Werkstückprüfung vom Messtaster auf der Maschine durchgeführt, wobei die Messwerte in einer Textdatei erfasst werden. Die Ergebnisse werden an das Produktionsplanungssystem als permanente Aufzeichnung der kritischen Bauteilmaße zurückgemeldet und dienen zur Feststellung, ob Merkmale außerhalb der Toleranz lagen, sprich zur Ermittlung von Ausschussteilen. Der OMP400 ist ein ultrakompakter Messtaster, der sich dank der innovativen RENGAGE™ Technologie, die hervorragende 3D-Messleistung bietet, ideal für Maschinen mit mehreren Achsen eignet.
Tagsüber Barrenbearbeitung
Die Abmessungen jedes einzelnen Rohbarrens variieren erheblich und häufig treten Über- oder Untermaße auf. Der erste Vorgang nach der Bestückung ist grundsätzlich die Überprüfung der Barrenlänge mithilfe des OMP400 Messtasters, der wie ein Schneidwerkzeug bei Bedarf aus dem Werkzeugwechsler in die Maschinenspindel eingewechselt wird. Bisweilen kann der Barren ein Übermaß von bis zu 8mm aufweisen – das Programm ändert die Anzahl der auf der ersten Fläche ausgeführten Schnitte entsprechend.
Bei Untermaß wird der Barren abgelehnt, bevor die Maschine Zeit mit dem Bearbeitungsversuch verschwendet. Merkmale am Barren können vom Messtaster während des Bearbeitungszyklus vermessen werden, beispielsweise kann eine Bohrung überprüft werden, bevor eine Keilnut eingearbeitet wird. Kritische Merkmale an jedem gefertigten Teil werden geprüft, um festzustellen, ob das Teil die Toleranzvorgaben erfüllt: In manchen Fällen werden sogar zusätzliche Bezugsmerkmale bei der Konstruktion vorgesehen, damit kritische Merkmale leicht gemessen werden können.
Nachts mannlose Stangenbearbeitung
Am Tag wird das Produktionsplanungssystem an einem vernetzten PC im Planungsbüro mit Bearbeitungsaufgaben „vollgeladen“, die über Nacht entsprechend dem Auftragseingang – häufig vom selben Tag – ablaufen sollen. Für alle Aufgaben wird dasselbe Material verwendet, normalerweise Baustahl, Gusseisen oder Aluminium, jedoch kann die Menge der Teile auf einen beliebigen Wert ab 1 eingestellt werden. Der Plan teilt automatisch das passende Bearbeitungsprogramm durch Abruf aus einer Datenbank zu und ändert es dann entsprechend der benötigten Menge ab. Verschiedene Aufgaben können in beliebiger Reihenfolge eingegeben werden, allerdings erfolgt die Bearbeitung grundsätzlich an Standard-Stangenmaterial. Die Matrix-Steuerung von Mazak basiert auf einem PC, der mit dem Netzwerk der Boxford-Gruppe verbunden ist, und empfängt die NC-Bearbeitungsdateien über das Netzwerk.
Die Maschine wird am Ende des Tages laufen gelassen. Dabei wird auf die Werkstück- und Werkzeugmesstastersysteme als „Augen“ und „Ohren“ des Betriebs vertraut. Falls ein Fertigteil außerhalb der Toleranz liegt, setzt die Logik im Programm nicht den Teilegreifer ein, um das Fertigteil beim Auswurf zu entnehmen; stattdessen fällt das Teil in die Späneauffangvorrichtung, sodass Ausschussteile keinesfalls zur Montage gelangen können. In einem solchen Fall ist die Maschine so programmiert, dass ein weiteres gleiches Teil hergestellt wird, damit am Morgen genug Teile fertig sind. Gutteile werden auf einem Teileförderer gesammelt, wobei Werkstückabmessungen erfasst und an das SPC-System rückgemeldet werden.
Herr Randerson wertet die Daten sorgfältig aus: „Einer der Hauptgründe für die Produktion von Ausschussteilen auf einer Maschine ist thermische Drift. Angenommen, die Maschine ist auf Temperatur hochgefahren, dann kann die Ursache eine Veränderung der Umgebungsbedingungen sein. Wir heizen die Maschinenhalle nachts nicht, sodass die Temperatur mit der Zeit leicht um mehr als 10°C abfallen kann. Die Mazak ist thermisch sehr stabil, viel besser als andere, wobei jedoch die Logik im Programm den Temperaturabfall während der Nacht anhand der vom Messtaster erhaltenen Messdaten kompensieren kann.“
Teure Planungssoftware?
Was ist das für eine Planungssoftware, die das alles kann – sie ist bestimmt teuer, oder? Die überraschende Antwort ist Microsoft Excel. Der Schlüssel zu so einem umfassenden System ist tatsächlich nur die kreative Denkweise und Logik, mit der Steve Randerson sämtliche Daten zusammenstellt und den Prozess kontrolliert, ganz einfach mit Tabellenkalkulationsbefehlen. Dasselbe Dokument innerhalb des Programms umfasst viele Funktionen, einschließlich Aufzeichnung von Auftragseingängen, Messwerte von Fertigteilen, SPC-Analyse und eine Datenbank von Bearbeitungsprogrammen.
In der Werkzeugmaschinenbranche besteht teils die Auffassung, dass eine Messung auf derselben Maschine, welche Fehler bei der Werkstückbearbeitung verursacht haben könnte, nicht sinnvoll ist. Herr Randerson ist jedoch anderer Meinung: „Wir arbeiten innerhalb typischer Toleranzen von 10 bis 12 Mikron, also deutlich innerhalb der Positionier- und Messgenauigkeit der Maschine. Das erste Teil in einem Produktionslauf wird außerhalb der Maschine komplett geprüft und weiteren gelegentlichen, unabhängigen Kontrollen unterzogen, was aber im Grunde gar nicht nötig ist. Das Messtastersystem auf der Maschine erweist sich immer wieder als viel genauer als die manuellen Prüfgeräte, die wir früher für jedes einzelne Bauteil eingesetzt haben. Wir waren auf Geräte wie Lehrdorne angewiesen. Kein Wunder also, dass Ausschussteile zur Montage gelangten.“
Die Integrex ist mit einem berührungslosen NC4 Laser-System von Renishaw ausgestattet, das anfangs zur Längen- und Durchmessermessung an Werkzeugen, später aber auch für die schnelle Bruchkontrolle durch Überprüfung auf eine erhebliche Längenänderung verwendet werden kann.
Kleine, empfindliche Werkzeuge werden nach jedem Einsatz überprüft, während weniger anfällige Werkzeuge unter Umständen gar nicht kontrolliert werden, was aber auch von dem bearbeiteten Material abhängen kann. Dasselbe Werkzeug kann für sechs verschiedene Materialien verwendet werden, weshalb es gegebenenfalls bei Aluminium nicht, bei Gusseisen jedoch regelmäßig kontrolliert wird. Bei Feststellung eines Werkzeugbruchs stoppt die Maschine nicht, da Randerson keine Produktionszeit einbüßen und kein fehlendes Teil riskieren möchte. Deshalb wird ein identisches Ersatzwerkzeug eingewechselt und der Bearbeitungsvorgang fortgesetzt.
Fertigungsgerechte Konstruktion
Bauteile wurden neu entworfen, um die Bearbeitung auf der Integrex zu ermöglichen und zu verbessern. Ein 120-faches Werkzeugwechselsystem mit hoher Kapazität wurde mit der Maschine erworben, jedoch konnten selbst darin nicht alle zuvor benötigten Werkzeuge untergebracht werden, vor allem nicht angesichts der vorgesehenen Ersatzwerkzeuge. Steve Randerson gab den Konstrukteuren eine sehr viel kürzere Liste mit Werkzeugen, die zur Bearbeitung sämtlicher Werkstücke aus den verschiedenen Materialien verwendet werden konnten – eine Reihe von Änderungen wurden dementsprechend vorgenommen. Außerdem wurde auch ein viel vernünftigerer Ansatz in Bezug auf Toleranzen und Oberflächenausführungen gewählt, denn Pauschaltoleranzen für Oberflächen wurden abgeschafft und jedes Merkmal genau untersucht, um die tatsächliche Notwendigkeit im Hinblick auf Funktion und Ästhetik festzustellen.
Werkzeugbrucherkennung und Werkstückeinrichtung an einer Mazak VTC300 Werkzeugmaschine
Boxtrees besitzt auch eine VTC300 von Mazak, eine CNC-Werkzeugmaschine mit einem langen, festen Maschinenbett, das sich halbieren lässt, und einem festen Bildschirm (obgleich der Bildschirm bei sehr großen Werkstücken gelegentlich entfernt wird). Alle drei Bewegungsachsen befinden sich im Maschinenkopf. Der Bediener kann ein Werkstück auf einer Hälfte des Maschinenbettes sicher einrichten, während die Maschine auf der anderen Hälfte einen Bearbeitungsvorgang ausführt. Während der Einstellung stand die Maschine jedoch lange Zeit still. Ein spindelmontierter Messtaster von Renishaw wurde installiert, der jetzt zur genauen Einrichtung des Werkstücks verwendet wird. Dadurch fallen die Herstellung bzw. der Kauf aufwändiger Spannmittel und auch die manuelle Werkstückvermessung weg.
Die VTC kann 48 Werkzeuge aufnehmen und verwendet hierzu ein auf einem Chip am Werkzeugschaft beruhendes Werkzeugerkennungssystem, allerdings wurde sie nicht mit einem Werkzeugmesssystem ausgestattet, sodass möglicherweise Fehler durch das Laden der falschen Werkzeugdaten auftreten können. Renishaw rüstete ein NC4 Laser-Werkzeugkontroll-System nach, um den Vorgang der Werkzeugeinstellung zu kontrollieren, und durch Einsatz von Logikroutinen im Maschinenprogramm kann die Maschine nichts mehr falsch machen. Die Bearbeitung ist jetzt von Anfang an ausnahmslos fehlerfrei.
Boxtrees Precision Engineering und Boxford Werkzeugmaschinen für Ausbildungszwecke
Boxtrees gehört der Boxford Unternehmensgruppe an. Aktuell richtet sich die Tätigkeit von Boxtrees zu 90 % auf die für Ausbildungszwecke konzipierten Werkzeugmaschinen von Boxford, umfasst aber auch Aufträge für andere Teile der Boxford Gruppe: das Unternehmen RJ Mobility, das maßgefertigte Rollstühle herstellt, und Protex Developments, das Laborabzüge für die Pharmaindustrie produziert. Boxtrees übernimmt auch eine Vielzahl verschiedener Lohnarbeiten, unter anderem für seine Kunden 600 Lathes und Renold Gears, und besitzt jetzt freie Kapazitäten für weitere Aufträge.
Die Nachfrage nach den Schulungsmaschinen von Boxford ist derzeit sehr stark und kaum von der aktuellen Rezession betroffen, unter der so viele Produktionsbetriebe leiden, sondern durch Exportaufträge deutlich gesteigert. Viele Länder erkennen, wie wichtig es ist, Studierende in der Verwendung von CNC-Werkzeugmaschinen auszubilden – Boxford arbeitet derzeit an einer Bestellung von 136 Maschinen für Schulen und Hochschulen in Nordafrika.
Die Maschinen von Boxford sind in vielen verschiedenen Konfigurationen erhältlich. Dazu zählen auch CNC-Drehmaschinen, vertikale Bearbeitungszentren, clever konstruierte Kombi-Drehmaschinen und Bearbeitungszentren sowie CNC-Router. Die größte Schwierigkeit bei den Maschinen ist, dass sie durch eine normale Türöffnung passen müssen, da nur wenige Schulen die bei Industriebetrieben üblichen Ladetore besitzen.
Alle Maschinen werden über Software gesteuert, die auf einem PC läuft. Dazu gehören auch umfassende CAD/CAM-Pakete zur Schulung der Studierenden in der Verwendung von Grafikdesigntools, mit umfassender Simulation der entworfenen Bauteile und Bearbeitungsvorgänge. Die Maschinen sind der letzte Teil des Prozesses, bei dem die 2D- und 3D-CAD-Entwürfe der Studierenden zu tatsächlichen Bauteilen werden. Schüler und Studenten ohne jegliche Fertigungserfahrung können in nur 5 Minuten ein komplexes Bauteil entwerfen und mit seiner Bearbeitung auf einer Boxford Maschine beginnen.
Boxtrees beweist herausragende Effizienz
Steve Randerson hat gezeigt, wie durch die richtige Integration der Werkstück- und Werkzeugmesssysteme von Renishaw auf den Werkzeugmaschinen von Mazak mit der entsprechenden innovativen Software ein hocheffizientes System für die Kleinserienproduktion komplexer Bauteile entstehen kann. Steve resümiert wie folgt: „Die Maschineneinrichtzeiten wurden drastisch verkürzt: von einigen Stunden auf null. . Früher hatten wir einen Produktionsrückstand, heute nicht mehr.“