Drehgeber von Renishaw reiten kontrollierte Explosion
Mit fast 1500 PS aus nur 1995 cm³ fährt der KTM Dragster, bei einer Endgeschwindigkeit von 316 km/h, die Viertelmeile (ca. 402 m) in 6,7 Sekunden. In Stanley Kubricks Klassiker 'Dr. Seltsam' wurde Slim Pickens aus dem Flugzeug abgeworfen und reitet auf einer Bombe Richtung Erde. Wäre es ein Motorrad gewesen, dann sicherlich ein mit Nitromethan angetriebener KTM Dragster der finnischen Firma Salakazi Racing. Zwei "bombensichere" RM22 kompakte, magnetische Drehgeber für hohe Betriebsgeschwindigkeiten von Renishaw helfen dabei die (gerade noch) kontrollierte Explosion des KTM Dragsters zu zähmen.
Geschwindigkeitsrekorde brechen
Man nehme ein 360 kg schweres Motorrad mit einer absolut verrückten Nennleistung, einen wagemutigen Herren aus Finnland der dafür bekannt ist Geschwindigkeitsrekorde zu brechen, und dann geht alles ganz schnell.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils dreht der Motor auf 7.500 min-1. Bevor der Zuschauer auch nur ansatzweise das Geschehen nachvollziehen kann, ist das Rennen vorbei; Motorrad und Fahrer befinden sich eine Viertelmeile weiter unten an der Rennstrecke und es wird wie wild abgebremst. Motorsporttechnisch geht's eigentlich nicht viel einfacher. Das Ziel ist es, die gerade Strecke von A nach B schnellstmöglich zurückzulegen.
Jaska Salakari – der erste Finne, der die Sieben-Sekunden-Barriere der Viertelmeile auf dem schnellsten Super Twin Top Fuel Bike in der Europäischen Union durchbrach, ist der Eigentümer von Salakazi Racing. Seit 2000 betreibt sein geschwindigkeitsversessenes sechs Mann starkes Team – aus Voll- und Teilzeitbeschäftigten – einen von ihm konstruierten und gebauten KTM Super Twin Dragster. Der 1995 cm³ Zweizylinder Nitroduke Motor wird mit 95% Nitromethan angetrieben und schluckt 1,1 Liter des leicht flüchtigen Gemischs pro Sekunde über eine Salakazi-spezifische Doppel-Kraftstoffpumpe. Kein anderes erdgebundenes Fahrzeug kommt einer fliegenden Bombe näher als dieses.
Beim Dragsterrennen werden die Ansprechzeiten in Millisekunden gemessen und kein Rennen wird mit wild durchdrehenden Reifen gewonnen. Alle Pferdestärken der Welt bringen nichts, wenn sie nicht effektiv in eine schnelle Vorwärtsbewegung umgewandelt werden. Der Fahrer hat nur wenig oder gar keine Zeit zum Denken, geschweige denn eine normal einzukuppeln oder die Kupplung schleifen zu lassen. Der Fahrer kann nicht exakt bestimmen, wie weit die Kupplung für eine optimale Traktion gedrückt werden muss.
Salakazi Racing hat den KTM Dragster mit einer automatischen, vierstufigen Dreischeibenkupplung von Prowork, plus einer digitalen Prowork Steuerung, ausgestattet. Die Steuerung betätigt die Kupplung – je nachdem wie sie vorprogrammiert wurde – sobald der Fahrer am Gashahn zieht. An diesem Punkt kommen die Renishaw RM22 Drehgeber, die bis zu einer Drehzahl von 30.000 min-1 arbeiten können, ins Spiel. Eine der winzigen, aber äußerst wichtigen Einheiten kontrolliert die Position der Kurbelwelle im Motor, während die andere die Kupplungsgeschwindigkeit misst.
Leistung auf den Asphalt bringen
Durch das Vergleichen dieser Werte können der Kupplungsschlupf, die Bodenhaftung und die Rennbahnbedingungen mit hoher Präzision bestimmt werden. Diese Daten sind vom Team heiß begehrt, da die Ingenieure damit die Gegengewichte in der Kupplung vor dem Rennen perfekt justieren können.
Natürlich variieren die Rennstrecken- und Motorradbedingungen bei jeder Veranstaltung, aber anhand der grundlegenden Daten, die von Renishaws Drehgeber nach jeder Fahrt gesammelt und kompiliert werden, kann die Steuerung so nah am optimalen Kupplungseingriff wie möglich programmiert werden. Dies ermöglicht maximale Geschwindigkeit und eine Beschleunigung mit minimalem Durchdrehen der Räder in den ersten Bruchteilen einer Sekunde.
Petri Mäkinen – bekennender „Technik-Guru“ des Salakazi Racing Teams – erklärt, dass die mit Renishaw umgesetzte Lösung nicht mit einer Antriebsschlupfregelung gleichzustellen ist. In erster Linie, so Mäkinen, da die Kupplung anhand von Einstellwerten -die in die Steuerung programmiert werden, noch bevor der Wettlauf gegen die Uhr beginnt- abgestimmt wird.
„Der Drehgeber von Renishaw kontrolliert die Kupplung nicht interaktiv während der Fahrt“, erklärt er weiter, „aber die Daten, die wir von ihm im Voraus erhalten sind extrem wichtig. Es gibt keine andere Möglichkeit diese Daten zu erhalten und die Kupplung voreinzustellen.
Wir müssen die Kupplungsgeschwindigkeit noch vor vollzogener erster Umdrehung des Hinterrades bestimmen können, um Entscheidungen bezüglich des Kupplungseingriffes zu treffen – und die Beschleunigung verläuft nicht gerade gemächlich. Dieses Problem wurde nun gelöst und der Programmiercode wurde richtig filtriert. In der kommenden Saison werden wir die Renishaw Drehgeber außerdem dazu verwenden, die Zündvorverstellung zu kontrollieren, und in ein, zwei Jahren werden die Drehgeber für die Einstellung der Nocken benutzt“.
Mäkinen verwendet die Daten, um die maximale Motorenleistung auf den Asphalt, und Salakari auf Geschwindigkeiten von mehr als 300 km/h zu bringen– in kürzerer Zeit als das Lesen dieses Paragraphen in Anspruch nimmt. Nach früheren Leistungen zu urteilen, könnte dieses Vorhaben klappen.
„Der Drehgeber von Renishaw kontrolliert die Kupplung nicht interaktiv während der Fahrt“, erklärt er weiter, „aber die Daten, die wir von ihm im Voraus erhalten sind extrem wichtig. Es gibt keine andere Möglichkeit diese Daten zu erhalten und die Kupplung voreinzustellen.
Salazaki (Finnland)
Grenzen sprengen
Der RM22 Drehgeber von Renishaw wurde für einen störungsfreien Betrieb auch unter rauesten Umgebungsbedingungen ausgelegt; das Salakazi-Rennteam hat eine der heikelsten Positionen für die Montage elektronischer Ausrüstung auserwählt.
Mäkinen grinst verschmitzt, zeigt auf das Ende der Kurbelwelle eines teilweise zerlegten Motors und sagt: „Hier sitzt der magnetische Geber von Renishaw. Wir haben ihn direkt an das Ende der Welle angebracht. Das Drehgeber-Gehäuse befindet sich auf der anderen Seite, im Kupplungsgehäuse. Ganz ehrlich, ich denke nur eine Weltraumrakete wäre eine schwierigere Umgebung für den Drehgeber“.
Der RM22 wird von Renishaws Partnerfirma RLS d.o.o. mit Sitz in Slowenien entwickelt und hergestellt, und ist gegenüber Schmutz und Ablagerungen nach IP68 geschützt. Mäkinen erklärt jedoch genauer wie der Drehgeber, der mit einer Maximalbetriebstemperatur von 125°C angegeben wird, den sehr hohen Temperaturen innerhalb der Kupplung standhält. Das Geheimnis liegt in der Platzierung des Drehgebers im schweren, aus Aluminium hergestellten Gehäuse.
„Mit einem Durchmesser von nur 22 mm war es uns möglich, den Drehgeber im Kupplungsgehäuse selbst zu platzieren, ohne dabei die Stabilität des Bauteils zu beeinträchtigen. Kupplungen können explodieren“, merkt er noch so nebenbei an. „Ich habe das schon ein paar Mal miterlebt. Das Kupplungsgehäuse spielt also in Bezug auf die Fahrersicherheit eine wichtige Rolle. Wäre der Drehgeber größer, dann müssten wir diese Lösung überarbeiten“.
Das berührungslose, zweiteilige Design des RM22 eliminiert die Notwendigkeit von Lagern oder Dichtungen und ermöglicht eine schnelle und einfache Installation bzw. Demontage.
„Nach jedem Rennen kühlen unsere Mechaniker die Kupplung ab und entfernen das Gehäuse und den Drehgeber schnell“, so Mäkinen. „Der schwere Aluminiumkörper schützt den Drehgeber vor der Hitze während des Rennens. Noch bevor er überhaupt die Chance hat sich zu überhitzen, haben wir ihn schon wieder zurück in der Werkstatt und ausgebaut“.
Zuverlässiger Betrieb, von Rennen zu Rennen
Einmal in eine komplizierte Maschine wie ein Dragster-Motorrad eingebaut, ist ein Bauteil oder eine Komponente nur so gut wie es auch zuverlässig ist. Mäkinens Lobesrede auf Renishaws RM22 ist unmissverständlich: Eine winzige aber überaus wichtige Komponente, die sich weit über ihre angegebenen Spezifikationen bewiesen hat.
„Unter diesen Bedingungen ist die Zuverlässigkeit der Drehgeber von Renishaw einfach unglaublich. Ohne sie könnten wir lediglich die entscheidenden Motoren- und Rennstreckeninformationen abschätzen“, sagt er. „Aber raten ist nicht gut genug wenn man Rekorde brechen will“.